P. Herbert Douteil CSSp

Diözese Cruzeiro do Sul / Brasilien

Missionsarbeit am Oberlauf des Amazonas

Museum der Missiologie und Anthropologie
Statue: Indiofrau mit Kind und Federkrone
Indiofrau mit Kind im Tragegurt und der Maske vor dem Gesicht, auf dem Haupt die übliche Federkrone.
"Nein, da im Acre gibt es keine Kultur!" sagten mir Mitbrüder vor meiner Ausreise im Jahre 1979. Was ich aber fand und sammelte, ist mehr als erstaunlich und jetzt ausgestellt in unserem Distriktshaus im "Museu Missiológico e Antropológico Padre Alberto Urban".

"Ein Volk ohne Kultur, das gibt es doch nicht!" war mein Gedanke auf die Auskunft der Mitbrüder, und vom ersten Tag an hielt ich die Augen offen und sammelte, was mir irgend wie interessant erschien. Als ich nach etwa fünf Jahren um die Erlaubnis bat, die ersten vier Schränke im breiten Korridor unseres Distriktshauses aufzustellen, schauten die Mitbrüder mich mitleidig lächelnd an und fragten: "Wie willst Du die denn voll bekommen?" Aber sie waren damals schon zu klein für die gesammelten und auf dem Speicher in Kartons lagernden "Schätze". Es kamen weitere Stücke und Schränke hinzu, und es wurde nach dem Kauf des neuen Gebäudes des Seminars der Spiritaner der frühere Studiersaal in ein Spezialmuseum für die Kunst und Kultur der Katuquina-Indios verwandelt und diesen die Verpflichtung für die Vervollständigung übertragen.

"Solche Figuren habe ich bei all meinen Reisen durch den Urwald nie gesehen", sagte mir Bischof Herbst, als er die zahlreichen Statuetten der aus Holz geschnitzten Madonnen und Heiligen sah. Die Menschen aus dem Ceará hatten die Figuren mit in unser Gebiet gebracht, als sie Ende des 19. Jahrhunderts in der Illusion kamen, das "schwarze Gold" des Rohgummis zu gewinnen und dadurch reich zu werden.
Museumsbesucher bewundert geschnitzte Figuren der Katukinas.
Besucher im Museum bewundert die große Vielfalt der von den Katuquina-Indios mit viel Fantasie geschnitzten Figuren.
Bischof Herbst hatte in der Zeit als einfacher Missionar unendlich viele Hütten der Einwohner besucht – aber die Heiligenfiguren hat er nach eigenem Bekunden nicht entdeckt. Man muß für sie genau so ein Auge haben wie z.B. für die Erzeugnisse der religiösen Volkskunst.

An einem Ostersonntag kehrte ich mit meinem Schlammmotorrad von einem Dienst in Santa Luzia zurück. Als ich ans Ufer des Juruá kam, lag dort ein roh aus Holz geschnitzter Kopf – ich hob ihn auf, reinigte ihn ein wenig, sah die durch Augen und den Mund getriebenen Nägel und wusste: "Der Kopf einer Judas-Figur". Die Menschen haben einen Brauch, am Karfreitag einen Strohmann zu machen und ihm einen solchen Kopf aufzusetzen. Diesem "Judas" werden für seinen Verrat an Christus Nägel durch Augen und in den Mund geschlagen, die Puppe verbrannt und bestraft. So lag der Kopf nun im Morast – wie im Sommer ein Stück versteinerten Baumstumpfes auf der Sandbank vor der Stadt, wo ich es aufhob und mit nach Hause nahm und ins Museum legte.

Als ich diese Versteinerung dem Fachmann für Paläonthologie der Universität Rio Branco zeigte mit der Bitte, sie zu bestimmen, weil ich nichts von dieser Materie kennte und mir nicht erklären könnte, wie sie mit dem Treibsand so wohl behalten hätte angekommen sein können, lachte der nur und sagte: "Sie fanden sie hier im Hafen auf der Sandbank? Dorthin habe ich sie selbst geworfen, als ich von meiner letzten Expedition an den Oberlauf des Juruá zurückkam – ich hatte gedacht, sie sei nichts wert, auch wenn sie schon an die 20 Millionen Jahre zählen dürfte!"

Figur mit Krone
Die auf der Welt einzigartige Krone, aus Spießen der hier lebenden Rehböcke gebildet und mit Federn der Ararapapageien geschmückt.
So hat fast jedes der knapp 2.000 Stücke des Museums seine je eigene Geschichte. Nur durch einen sorgfältig gearbeiteten Katalog von bisher mehr als 150 Schreibmaschinenseiten kann ich dafür sorgen, dass diese Erinnerungen nicht vergessen werden und verloren gehen, wenn dieses Museum einmal in eine andere Hand kommen sollte!

Warum aber heißt dieses Museum "Museu Missiológico e Antropológico Alberto Urban" und verewigt damit den Namen des vor mehr als zwanzig Jahren verstorbenen Diözesanpriesters Alberto Urban? Die Erklärung ist diese: Er hatte schon lange vor mir mit dem Sammeln zumal von Objekten der Indios begonnen, und als er 1983 an einer fulminanten Hepatitis gestorben war, übernahm ich seine Sammlung und freute mich, dass ich mit der Gründung dieses Museums seinen geheimen Wunsch in die Wirklichkeit umsetzen konnte!


Dies nun sind die Teilbereiche des Museums:
  1. Religiöse Kunst – Kelche, Monstranzen, Salbgefäße aus den Nachlässen der Mitbrüder und den Abstellräumen der Kapellen – Medaillen – Mit knapp 40 Stücken die in Nordwestbrasilien größte Sammlung von Statuetten der aus Nordostbrasilien eingewanderten früheren Gummischneider – Sammlung von Ex-votos als Zeugnisse der wirklichen religiösen Volkskunst unserer Bewohner – Eine Krippensammlung – Repliken von Elfenbeinreliefs vom frühen bis späten Mittelalter, von Statuen von Riemenschneider, Donatelli, u.a. – Originalarbeiten von Hanns Rheindorf und Heribert Reul – Farbige Glasfenster - Geschichte der Spiritaner
  2. Archäologische Abteilung mit Versteinerungen von Dinosauriern, Urkrokodilen, Flussschildkröten, Bäumen
  3. Gummischneider: Geschichte der Gewinnung des Rohgummis, Werkzeuge und Prozeß der Verarbeitung, Gewehre und andere Waffen
  4. Brasiliensia: Numismatische Abteilung mit der Sammlung von brasilianischen Münzen, Medaillen und Geldnoten seit 1830 bis in die modernste Zeit – Angegliedert ist eine Sammlung ausländischer Münzen und Geldscheine –
  5. Indio-Museum, besonders der Katuquina: Statuen, Kopfschmuck (u.a. die welt­weit einzige originale Tanzkrone aus Spießen der hiesigen Rehböcke), Waffen, Stein­beile, Handwerkszeug, Spielzeug, Töpferei, Flechtwerk, Zeichnungen, Klei­dung
  6. Museumsbibliothek mit besonderer Berücksichtigung der Geschichte der Entdeckung und Entwicklung Brasiliens, seiner Ureinwohner und des Acre
  7. Brillensammlung – die weltweit wohl einzigartige Sammlung solcher Sehhilfen-Ruinen, die bis zuletzt getragen und in unserer "Clínica Santa Maria" gegen neue Brillen getauscht wurden.
"Wer eine Arbeit anfangen will, die niemals endet, soll ein Museum gründen", sagte ich mir schon häufig, und ich bin überzeugt, dass sich noch vieles finden lässt, das die zu Beginn zitierte Aussage der Mitbrüder widerlegt. Ja, es gibt hier am scheinbaren Ende der Welt sehr wohl eine eigene Kultur!


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Monstranz aus der Schule von Beuron, neubarocke Reliquienmonstranz und Kelch des ersten Spiritaners, der Pfarrer von Cruzeiro do Sul wurde.

Drei der Mitte des 19. Jahrhunderts von den Gummischneidern aus dem Ceará mitgebrachten Madonnenfiguren.
Wenn man bedenkt, dass ein Jahr im acreanischen Klima zehn Jahren in gemäßigten Breiten Europas entsprechen, erschauert man vor einem solchen Alter von fast 2.000 Jahren.