| | | |
Langsamer Abschied von der früheren Missionstätigkeit
18.06.2008
Das Leben geht weiter - nicht mehr alles kann ich tun, was ich früher mit Begeisterung tat: Der Bischof hat mir versagt, längere Missionsreisen zu machen, weil mein Alter und die Gesundheit dies nicht mehr zulassen. Eines nach dem anderen wird so zu Ende geführt, Ausdruck dafür ist die Einweihung der Kapellen, die ich noch habe bauen oder erneuern lassen. Heute habe ich die erste der drei noch im Bau befindlichen Kapellen zu Ehren des heiligen Franz Xaver in Velho Julho am Rio Ipixuna eingeweiht. Gestern fuhr ich um 9:30 von hier ab, überließ aber Valderi, dem Mitpräsidenten der Stiftung "Jesuskind von Nazareth", das Steuer.
verlassenes Haus |
Zunächst ging es über Asphalt Richtung Guajará, dann bogen wir nach links ab auf einen Feldweg, der ziemlich genau 30 km lang ist und mit vielen und sehr hohen Steigungen schwierig zu befahren ist. Ich schaute und fotografierte, ließ mich auch von Valderi informieren, wie es mit den ständig wachsenden Rinderzuchtfarmen bestellt ist. Die bisherigen Bewohner wurden mehr oder wenig gewaltsam entfernt, die alten Hütten verfallen langsam. Nun sieht man hin und wieder einige Stück Rindvieh, sonst Weideland, so weit das Auge reicht. "Ich denke daran, all mein Weideland umzuwandeln in Zuckerrohrplantagen; Rinderzucht gibt hier keinen Gewinn, aber mit dem Alkohol, den wir gewinnen können, kann man bei den augenblicklichen Weltmarktpreisen viel Geld verdienen - und Arbeit gibt es auch!" sagte vor zwei Jahren Orleir Cameli, der frühere Governeur und größte Rinderzüchter unserer Gegend. Dass die Ernte von Zuckerrohr im Nordosten unglaubliche Sklavenarbeit ist, hat er wohl weißlich verschwiegen...
Der Ramal war in relativ befahrbarem Zustand, obwohl es am Sonntag ziemlich viel geregnet hatte. Es blieben aber einige schwierige Schlammpassagen, doch blieben wir zum Glück nicht hängen und kamen nach gut einer Stunde am Gama an. Hier hat Valderi für seine Fahrten als Kandidat für den Posten des Präfekten ein Boot liegen und einen Motor. José Francisco war dabei, der erfahrene Motorist und Katechet, der mich so oft begleitet hatte und auch die Kapelle von Velho Julho gebaut hat. Auch war ein Zahnarzt bei uns, der den Leuten helfen sollte. Es war erst zum ersten Mal, dass ein Zahnarzt jene Gemeinde besuchte! Man kann sich wohl vorstellen, was die Menschen, die hier gewöhnlich sehr schlechte Zähne und wegen der vielen Bonbons, die sie von Kind auf lutschen, viel Karies haben, gelitten haben, wenn die Fäule an die Nerven kommt!
Die Bootsfahrt verlief sehr gut, da wir für unser schnittiges Boot einen relativ starken Benzinmotor hatten. Unsere Enttäuschung bei der Ankunft war allerdings groß, als wir hören mussten, dass meine Radiodurchsage, die unser Kommen ankündigen sollte, nicht gehört worden war. Was tun? Ich zog mich in die Hängematte zurück, die anderen liehen sich ein Fischernetz aus und gingen fischen und brachten nach drei Stunden auch zwanzig Fische mit zurück. So wurde es Abend, und ich staunte nicht schlecht, als dann doch die Leute kamen. Die Kapelle war gerade groß genug, dass alle einen Sitzplatz hatten.
Wie war die Kapelle? Nicht mehr die Stätte der Verwüstung, die ich noch im Januar besucht hatte. Alles war von José Francisco gut gebaut, auch von draußen schön gelb gestrichen. Allerdings glaube ich nicht, dass das relativ frische Weißholz sehr lange den Termiten Widerstand leisten wird! Doch das muß jetzt die Sorge meines Nachfolgers werden! Nach der Abendandacht konnte ich mich gegen 21:00 in die Hängematte legen und dann kam eine lausig kalte Nacht. Aber auch sie ging vorüber!
Heute morgen sollte die Messe um 7:30 beginnen - aber niemand war da weit und breit zu sehen oder zu hören - ob denn die Leute von gestern Abend nicht wenigstens kommen würden? Es war schon 8:00, als endlich zwei Boote ankamen und ich mit dem Gottesdienst beginnen konnte. Etwas später kamen noch einige Leute - die Kapelle war schließlich voller als gestern Abend! Aber leider hatte ich keine Taufe und keine Trauung - ob die Leute damit warten, bis der jetzt zuständige Pater von Gaujará kommt, der diese Desobriga übernehmen wird? Ich kann es nur hoffen!
Nach der Messe hielt Valderi vor der Kapelle noch eine kleine Ansprache über seine Kandidatur für das Amt des Bürgermeisters. Ich kann ihm nur viel Glück und möglichst wenige Verräter wünschen, die ins Gesicht schön tun und sich alle möglichen Gefallen machen lassen, aber dann doch anders entscheiden, weil ein anderer vielleicht mehr Geld hat als er! Sollte er die Wahl gewinnen, dann sehe ich für Guajará eine bessere Zukunft, als wenn ein anderer gewinnen sollte!
Der Zahnarzt, der uns begleitete, hatte noch eine knappe Stunde zu tun, ehe wir wieder ins Boot steigen und nach Gama zurückfahren konnten. Wieder war die Fahrt schnell, aber längst nicht so kalt wie gestern. Ich schaute die vielen blühenden Bäume, die im Urwald verstreut standen - dachte an so viele Fahrten zurück, die ich schon gemacht hatte - nun ist also auch dieses Kapitel meiner Lebensgeschichte abgeschlossen!
Nach ziemlich genau zwei Stunden kamen wir in Gama an. Fünf Minuten vor Ende brach noch die Schiffsschraube, aber der verbliebene Flügel ließ es zu, dass wir bis ans Ziel kamen. Hier schaute ich noch einmal die alte Kapelle an, die ich vor wohl fünfzehn Jahren gebaut hatte und hoffentlich einmal durch eine größere und würdigere ersetzt wird. Eenn er gewinnen sollte, wird sich Valderi dafür einsetzen.
Eine Menge Leute meldete sich, die noch bis Guajará mitgenommen werden wollte - wie können wir diese Bitte abschlagen, wenn wir sie erfüllen können! Gerne überließ ich Valderi wieder das Steuer, da ich meinen Augen nicht so ohne weiteres mehr trauen kann. Da es heute sehr warm geworden war, waren die gestrigen Schlammpassagen zum großen Teil abgetrocknet. Auch waren zwei Laster nach Cruzeiro do Sul gefahren und hatten uns Spurrillen hinterlassen, durch die wir fahren konnten. Nach einer knappen Stunde waren wir an der Asphaltstraße, die Guajará und Cruzeiro do Sul miteinander verbindet. Die Leute stiegen ab - aber nur ein einziger sagte ein Dankeschön! Das ist schon nervend, wenn alles als so selbstverständlich angenommen wird, als hätte man ein einforderbares Anrecht darauf!
|
|