P. Herbert Douteil CSSp
Diözese Cruzeiro do Sul / Brasilien

Missionsarbeit am Oberlauf des Amazonas

Desobriga zum Jahreswechsel
Curzeiro do Sul, 12.01.2005

Gestern Abend kam ich von einer Seelsorgereise ("Desobriga") zurück, die eigentlich gar nicht hätte stattfinden können – am Vortag der Abreise erhielt ich von França, dem vorgesehenen Motoristen und Katechisten, ein kleines Briefchen. In diesem teilte França mit, dass er aus wichtigen beruflichen Gründen gehindert sei, mich auf der Reise zu unterstützen. Er hoffe, dass ich eine andere Lösung finden würde – und das für den nächsten Tag?? Die Lösung kam wieder vom Himmel: Antônio, der Neffe jenes João, der mir die Reise zum Ipixuna gerettet hatte, sprang ein mit Person, Motor und Boot, das wir Huckepack auf meinem Toyota zum Liberdade brachten. Zusätzlich fuhr noch der Katechet und Lehrer Paulo mit, der die Ferien nutzte, mir zu helfen.

Bei der ersten Teilstrecke wäre beinahe das erste Unlück passiert, als der Motor aus der Halterung sprang und sich selbständig machen wollte. Doch Antônio rettete durch einen schnellen Zugriff Motor und Fahrt. Mir wurde allerdings aus einem anderen Grunde ziemlich flau, als ich merkte, dass der Motor wesentlich mehr verbrauchte, als ich nach der Erfahrung der letzten Reise berechnet hatte. Kein gutes Gefühl bei einer Fahrt von dreißig Stunden, bei denen ja viel passieren kann – zum Glück aber hatten wir himmlisches Glück und hielten am Ende noch drei Liter Benzin übrig! Der Fluß hatte durch die täglichen Regenfälle genügend Wasser. Die Stromschnellen und das sonst so gefährliche Treibholz waren bedeckt, die Strömung allerdings auch stärker als sonst. Lediglich am Unterlauf wurde sie langsamer, weil der Juruá das Wasser seines Zuflusses bis weit ins Landesinnere zurückstaute. Die Natur hat uns wieder mit ihrer Überfülle beschenkt – eine Orchidee konnte ich fotografieren, auf die sich gerade eine Mücke gesetzt hatte, ehe die Blüte ihr zur letzten Ruhe wurde...

Die Leute kamen zahlreich wie bei den früheren Fahrten. Insgesamt wohnten den 28 Messen 1330 Menschen bei, von denen 540 beichteten und 683 die heilige Kommunion empfingen. Ich taufte 25 Kinder und schloß zwei Ehen. Einmal war die Zahl der Gottesdienstbesucher am Abend so groß, dass wir auf den Vorplatz ausweichen mussten – zum Glück war es genau jener einzige Abend, an dem es nicht regnete! Die Kinder waren erneut unglaublich geduldig, wenn sie in einer Ecke des Hauses beisammensaßen! Das neue Jahr begann ich etwas verfrüht um 18:00 Uhr unserer hiesigen Zeit im Geiste mit Euch, meinen Freunden in der Heimat, woher ich in der Deutschen Welle die Zeitdurchsage hörte. Unser Neujahrsbeginn war sechs Stunden später – aber da lag ich schon schlafend und müde von den vielen Beichten des Abendgottesdienstes in der Hängematte und hörte nicht einmal die Schüsse, die im Nachbarhaus abgegeben wurden!

Die Klagen der Leute waren überall gleich: Hauptsächlich ging es um den Verfall des Preises für das Maniok-Mehl: Statt 34 wie vor einem Jahr brachten 60 kg am Oberlauf nur noch 17 Reais. – Am Unterlauf war die Bezahlung mit 20 Reais noch etwas besser, aber auf keinen Fall ein gerechter Ausgleich für die harte Arbeit! Vonseiten der Politiker war nach der Wahl und dem Amtsantritt am 1. Januar noch nichts zu hören, lediglich zu sehen. Denn die Wahlplakate flatterten immer noch vor fast allen Hütten im Winde, und die Kandidatenfotos verblichen immer mehr, welche in großer Zahl an die Wände der Häuser geklebt waren.

An Hilfe für Kranke war immer noch nicht zu denken, ein funktionierendes Gesundheitssystem im Landesinnern existiert einfach nicht. Und wenn jemand Medikamente in der Stadt einkauft, sind die Preise sehr, sehr hoch. Falls aber jemand noch eine Schmerzpille hat, so hilft er bereitwillig dem Nachbarn aus. Gerade sprach ich mit Dr. Victor Aguerro: Er ist im Augenblick der einzige Chirurg unseres hiesigen Hospitals für eine Bevölkerung von fast 100.000 Menschen. Täglich passieren hier schwere Verkehrsunfälle – und der Arzt kann wegen der völligen Übermüdung schon fast nicht mehr ruhig aus den Augen sehen!
Gestern sah ich allerdings nach langer Zeit wieder einmal das große Hospitalschiff, das der frühere Gouverneur Orleir Cameli angeschafft hatte und an der Fähre bei Rodrigues Alves fest lag. Dort soll es genügend Ärzte der Marine und sogar Medikamente geben, welche den Armen, die das Glück der Behandlung haben, auch reichlich ausgegeben werden. Doch das ist höchstens einmal im Jahr bei Hochwasser der Fall. Hätte man dasselbe Geld, welches das Schiff gekostet hatte und der Unterhalt immer noch kostet, anders verwandt, hätte man damit zwanzig 20-Betten-Hospitäler in den Dörfern des Urwaldes bauen, sie mit je zwei Ärzten und dem entsprechenden Hilfspersonal ausrüsten können!

Ab dem 19. Januar bin ich in Deutschland. Dafür, dass auch in meiner Abwesenheit das Projekt des "Jesuskindes von Nazareth" weiterläuft, werden die beiden Koordinatoren und die 13 anderen Mitarbeiterinnen sorgen. Die Zahl der in den vier Landkreisen betreuten Kinder liegt bei inzwischen 150. Gebe Gott weiterhin seinen Segen dazu!