P. Herbert Douteil CSSp
Festgefahrener Wagen auf der Schlammpiste
Diözese Cruzeiro do Sul / Brasilien

Missionsarbeit am Oberlauf des Amazonas

Eine tumultvolle Woche
22.09.2008

Straßensperrung
Straßensperrung bei Lagoinha

Es ist gut, dass nicht alle Wochen so sind, das könnte man nicht gut aushalten! Wie immer gab es Höhe- und auch Tiefpunkte.

Am letzten Dienstag wollte ich die 120 km zur Gemeinde am Ende des 5. Siedlungsweges fahren – auf meinem Programm standen für jenen Tag 28 Taufen und acht Hochzeiten, die von meinem Katecheten Paulo vorbereitet waren. Aber meine Fahrt war schon gegen 9:00 und nach 70 km zu Ende, denn die Bevölkerung der Gemeinde am "Lagoinha" hatte die Transamazônica gesperrt, weil sie endlich einen Polizeiposten dort haben wollen, der die ausufernde Gewalt und den Drogenkonsum eindämmen soll. All meine guten Worte halfen nichts – ich musste unverrichteter Dinge umkehren – und wann ich die Kinder taufen und die Ehen schließen kann, weiß auch nur der, welcher einen anderen Plan als den meinen gemacht hat!

67. Geburtstagsfeier von Dom Mosé
67. Geburtstagsfeier von Dom Mosé

Zwei Tage später kam ein weiterer Höhepunkt: Bischof Mosé wurde 66 Jahre alt und hatte alle Mitbrüder zu einem sehr schmackhaften Mittagessen in einer vor nicht allzu langer Zeit errichteten Speiselokal eingeladen. Auf diese Weise wollte er nicht nur uns für alle Mitarbeit danken, sondern auch den Besitzern eine Möglichkeit eines Zugewinns geben und er sich erkenntlich zeigen für deren Einsatz in der Kathedralpfarrei – unser "Hoch soll er leben!" klang wirklich froh und überzeugend!

Das letzte Wochenende hatte es dann besonders in sich: Auf meinem Programm stand am Samstag das Kapellenfest zu Ehren des heiligen Stephanus im 4. Siedlungsweg – dort füllte sich die Kapelle bis auf den letzten Platz, ich hatte nicht nur aufmerksame Zuhörer, sondern auch einige Leute, die beichteten und ein Kind, das ich taufen konnte. Nach der kirchlichen Feier fand auch noch die mehr gesellschaftliche statt, nämlich die Versteigerung einer riesigen Menge von Kuchen, Torten und gebratenen Hühnern. – Auf diese Weise hoffen die Gemeinden, etwas Geld für die Seelsorge und den Unterhalt der Kapellen zu bekommen. Als ich gegen 22:00 zu meinem Schlaflager fuhr, war die Versteigerung noch nicht abgeschlossen.

Schule 'Rainha da Floresta' auf dem Weg zum Ramal 'Lua Clara'
Schule 'Rainha da Floresta' auf dem Weg zum Ramal 'Lua Clara'

Für den gestrigen Sonntag stand der Besuch der Gemeinde mit dem schönen Namen "Klarer Mond" am Ende des 3. Siedlungsweges auf meinem Programm. Vor einer Woche war ich noch dort gewesen, um diesen Besuch anzumelden, damit ich vor der bald einsetzenden Regenzeit die inzwischen geborenen Kinder taufen und die Ehen schließen könnte. Die ersten 15 km des 3. Siedlungsweges sollen jetzt asphaltiert werden und einmal den Beginn einer längerfristig geplanten Verbindung zur "Transacreana" bilden, welche parallel zur "Transamazônica" und zur Grenze zu Peru die Verbindung zur Landeshauptstadt Rio Branco schaffen. Unterwegs hielt ich bei DĒ Josefa an, wo ich wie jeden Sonntag etwas Dickmilch aß.

Der für das Gebiet am Ende des Siedlungsweges, also auch für den "Klaren Mond" zuständige Katechet Tico hatte kurz vorher sagen lassen, dass ich wegen Gefahr von Regen nicht in den Ramal führe – aber ich hatte doch gerade eine Woche vorher ausdrücklich diesen Besuch angekündigt, nun wollte ich ihn den Leuten und mir durch Regen doch nicht einfach verderben lassen! Also fuhr ich los...!
Unterwegs traf ich die Baumaschinen arbeitend - trotz Sonntags waren sie in Betrieb, weil man keine Zeit verlieren konnte. Von den insgesamt 15,7 km haben sie 10 km ziemlich gut für die Asphaltierung vorbereitet, der Rest ist noch in der Vorbereitung. Ich nahm unterwegs die Familie des Katecheten und einige andere Leute mit und kam auch gut zum Ramal "Lua Clara" – von der Transamazônica bis dort waren es genau 42,3 km – aber die Überraschung war nicht angenehm: Niemand wartete auf uns, sogar der Leiter der Gemeinde, Seu Didi, war noch nicht fertig.
Tico schaute zum Himmel und warnte eindringlich vor dem nahenden Regen. Also fuhr ich mit seiner Familie zurück, hielt unterwegs aber noch einmal kurz an, um ein Foto der verlotterten Schule mit dem schönen Namen "Königin des Urwaldes" zu machen. In genau dem Moment, als ich am Haus des Katecheten ankam, begann der angekündigte starke Regen. Ich verschenkte den am Vorabend bekommenen Kuchen, der von der großen Kinderschar Ticos und den wohl auch hungrigen Mitfahrern auch sogleich mit viel Appetit verzehrt wurde. Als der Regen nach knapp 45 Minuten eine kleine Pause einlegte, zelebrierte ich wieder einmal auf der Veranda nur mit der Familie, die heilige Messe; weiterhin fiel ein starker Regen...

Die Schlammpiste brachte den Wagen aus der Spur.
Die Schlammpiste brachte den Wagen aus der Spur.

Und nun sollte es auf die Rückfahrt gehen. Diese aber gestaltete sich überaus dramatisch: Es begann schon bei der ersten Brücke, wo mir der Wagen wegrutschte. Als ich ihn in die Spur bringen wollte, glitt er noch weiter weg, und ich landete im Straßengraben, die männlichen Begleiter und die herbeigerufenen Tico und zwei seiner Söhne halfen, dass ich wieder frei kam. Es ging nun in aller Vorsicht zwölf Kilometer weiter. Die Baumaschinen hatten ihre Arbeit eingestellt, und ich hatte größte Schwierigkeiten bei der Umfahrung einer neuen Brücke, wo das Camp der Arbeiter war. Einer von ihnen kam und hielt meinen Wagen gemeinsam mit meinen Mitfahrern in der Spur – ich rutschte mehr als ich fuhr auf die andere Seite!

Nur der Traktor konnte den Wagen befreien...
Nur der Traktor konnte den Wagen befreien...

Nach einen Kilometer fuhr ich mich im noch nicht kompaktierten Erdreich fest – Hilfe schien nur durch die Arbeiter möglich, die sich im kurz vorher passierten Camp untergestellt hatten. Plötzlich kamen von vorne einige Toyotas, einer wurde vom früheren Gouverneur Orleir Cameli gesteuert. Er begleitete eine Gruppe der Kandidaten der Regierungspartei, die sich hier in Cruzeiro do Sul um das Amt des hiesigen Oberbürgermeisters bewerben und welche der frühere Gouverneur mit seiner Autorität unterstützen wollte. Orleir sah mich festhängen, stieg aus und stapfte durch den Morast zu mir hin und wollte mich mit seinem Toyota gleich frei schleppen, aber das Stahlseil, welches Bruder Albert mir bereitet hatte, riß, und zu allem Überfluß, fuhr auch Orleir sich beim Rückwärtsfahren rettungslos fest. Nun blieb keine andere Lösung als der Traktor, der auch kam, aber zunächst kein Seil, das noch geholt werden musste – nun wurde zunächst Orleir frei gezogen, der mit vollem Carracho durch den Morast raste, dass der Lehm nur so davon spritzte. Dann kam auch mein Wagen an die Reihe. Der Traktor schleppte mich noch knapp zwei Kilometer weiter durch das aufgeschüttete, weiche und jetzt vom ständig weiter fallenden Regen aufgeweichte Lehmreich, bis wir auf festes Land kamen.

Traktor

Ich dankte und fuhr weiter, hatte aber die größten Schwierigkeiten bei der nächsten Anhöhe hinter der Kapelle Allerheiligen. Dreimal fuhr ich an und kam immer nur ein kleines Stückchen weiter, aber nicht bis auf die Höhe – endlich kam der Traktor, schleppte mich bis auf die Höhe und kehrte um. Ich lud einen Bekannten mit drei Säcken Manjokmehl auf, so dass mein Wagen schwerer wurde und leichter die nächste Anhöhe hinaufkam. – Bei der Abfahrt dieser Anhöhe aber, als ich das Grundstück von DĒ Josefa vor mir liegen sah, merkte ich, dass ich den Wagen nur schwer würde bremsen können. Ich legte also den 1. Gang ein, nahm das Gas weg und bremste in Intervallen. – Trotzdem rutschte der Wagen langsam nach links und rammte im Zeitlupentempo einen anderen von der Wahlkämpfergruppe Orleirs. Dieser Wagen hatte sich auf der Hinauffahrt hier am Rand fest gefahren.
Ich schickte den mitgefahrenen Katecheten Flávio zurück, den Traktor zu holen. Nach einer knappen Stunde kam er gelaufen und sagte, der würde erst nach Ende der Wahlversammlung Orleirs kommen und zur Sicherheit die Wagen der Gruppe begleiten. Also betete ich meinen Rosenkranz weiter, wurde aber plötzlich nach hinten geschlagen. - Denn Orleir kam vor dem Traktor und rutschte an haargenau derselben Stelle gegen meinen Wagen und rammte ihn von hinten. Zuerst langes Palavern im immer noch fallenden Regen und mit den Füßen im Morast, doch dann ergriff Orleir in wahrstem Sinne des Wortes die Initiative, packe meinen Wagen und zeigte, dass er fast alleine die Körperkraft hatte, meinen Toyota hoch zu heben. Die anderen Leute seiner Gruppe ließen sich dies nicht vormachen, griffen auch zu, und so bekamen sie meinen Wagen heraus, so dass ich weiterfahren konnte. Aber ich kam nicht sehr weit. Denn schon auf der nächsten Anhöhe blieb ich wieder hängen, wo mich der Traktor, der wohl von der anderen Seite mein Manöver gesehen hatte, mich noch einmal rettete. Erst von dort aus war das Erdreich fester, und so kam ich heil weiter und gelangte schließlich bis zum Asphalt.

Die Zufahrt zur Fähre war aalglatt...
Die Zufahrt zur Fähre war aalglatt...

Beim Katechetenehepaar José und Consuelo lud ich ihren Sohn Erlesson mit seiner Familie auf und fuhr Richtung Rodrigues Alves. An der Fähre aber mussten wir noch einmal fast anderthalb Stunden warten, bis wir auf die andere Seite kamen. Die vom Regen durchtränkte Ab- und Auffahrten waren aalglatt. Meine offenbar abgefahrenen Reifen hatten wieder Schwierigkeiten, aber schließlich half doch noch der Vierrad-Antrieb, wie auch bei einem anderen Wagen, der sich schon fest gefahren hatte, den aber einige bereitwillige Leute aus dem Morast zogen und dann auf der Fähre in die rechte Stellung brachten! Daheim sah ich am randvollen Regenmesser, dass es ca. 75 mm geregnet hatte, hervorgerufen durch den Temperatursturz von 36,5 auf 16,5°C!

Reisegesellschaft auf der Rückfahrt: Familie Ticos, Seu Nenê, Flávio
Reisegesellschaft auf der Rückfahrt: Familie Ticos, Seu Nenê, Flávio

Heute holte unser Mechaniker Nascimento meinen Wagen. Seine Diagnose: die rechte Tür, wo Orleir so kräftig zugelangt hatte, war ein wenig eingedrückt, die Stoßstange hat beim Anstoßen an den anderen Wagen die gesamte Karosserie verschoben, so dass auch die rechte Tür nicht mehr richtig schließt, die Grillverkleidung des Kühlers ist zerbrochen, muß neu gekauft werden und kann nicht – wie ich gedacht hatte - geklebt werden. Dauer der Reparatur: ca. drei Tage, während denen ich keinen Wagen zur Verfügung haben werde. Einen Kostenvoranschlag konnte Nascimento natürlich nicht geben, ich denke, dass ich ca. 1.000 Reais werde zahlen müssen – also ein sehr aufwändiger Wochenendausflug mit welchem religiösen Erfolg!?? – Meine Antwort? Die zu wissen, steht mir nicht zu, die ist eines anderen Sache, in dessen Dienst wir stehen – und der ließ uns in der gestrigen Lesung sagen: "Meine Pläne sind nicht die euren, und meine Gedanken stehen himmelweit über den von euch gemachten!"

 

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