Bericht 2009 für die "Christoffel-Blinden-Mission" und das Kindermissionwerk Aachen
Kindearzt Dr. Biskup berichtet über seinen Arbeitsbesuch
Über unsere Mitarbeit in der "Fundação Menino Jesus de Nazaré" in Cruzeiro do Sul sowie in Mâncio Lima, Rodrigues Alves und Guajará / Brasilien - Acre
Neuss, den 25. April 2009
Dr. Biskup bei Untersuchungen
Projektmitarbeiterin bei therapeutischer Arbeit
Teilnehmer des diesjährigen Einsatzes vom 08.03. - 09.04.2009 waren:
- Dr. Lothar Biskup, Kinderarzt i.R.:
Kinderärztlich-kinderneurologische Untersuchungen (von neuen Patienten und Kontrolluntersuchungen), Therapiebewertung und neue Therapieplanung
- Monika Biskup, MTA, Zusatzausbildung in Heilpädagogik und Spieltherapie
- Nina Heyd, Kinderkrankenschwester und Logopädin aus Heppenheim
Sie hat in den letzten Jahren schon mehrere Monate im Projekt gearbeitet.
- Simon Schmidt, Heilerziehungspfleger aus Ochsenhausen; erstmalig in Brasilien.
Auch dieses Mal konnten wir die anstehenden Hausbesuche recht gut ohne wirkliche Dolmetscher erfolgreich bewältigen. Von Fall zu Fall war uns allerdings Nina Heyd, die inzwischen sehr gut Portugiesisch spricht, bzw. einer der Coordenadores natürlich wieder eine unverzichtbare Hilfe in der sprachlichen Kommunikation mit den Eltern, sofern eine unmittelbare Verständigung zu schwierig wurde.
Die Anzahl der im Projekt betreuten Kinder ist nach Angaben von Pater Douteil und den Coordenadores inzwischen rückläufig auf ca. 180 Kinder, und zwar beabsichtigt: denn durch neue gesetzliche Vorgaben müssen alle Kinder, auch die geistig behinderten, in die Schulen aufgenommen werden. Dort erfolgt dann also die tägliche Förderung, was wir sehr begrüßen!
Auch dieses Mal haben wir wieder unseren Einsatz durch die vorherige Übersendung unserer "Wunschlisten" vorgeplant. Die Coordenadores konnten dadurch einen für effektives Arbeiten sehr guten Einsatzplan vorbereiten. Das ist besonders wichtig wegen der recht großen Entfernungen von Haus zu Haus und des notwendigen Einsatzes des einen Fahrzeuges.
Die Hausbesuche bieten nach wie vor aus unserer Sicht trotz des zeitlichen Aufwandes und der nicht unerheblichen Entfernungen viele Vorteile, wie schon früher ausgeführt! Dies gilt sowohl für meine ärztlichen Untersuchungen wie natürlich auch für die regelmäßigen "therapeutischen Hausbesuche" der Orientadoras. Diese Arbeitsstruktur sollte also unbedingt beibehalten werden. Wir lernen so die Situation der Kinder im individuellen Umfeld gut kennen und auch die Orientadora kann sich dadurch besonders gut auf die Gegebenheiten einstellen, manchen guten zusätzlichen Rat geben und die ganze Familie In die Therapie einbeziehen.
Bei unseren gemeinsamen Hausbesuchen im kleinen Team konnte so wieder der aktuelle Befund beurteilt, das Ergebnis besprochen und Folgerungen für die weitere Arbeit mit Kind und Familie festgelegt werden. Die begleitende Orientadora bekommt so eine Rückmeldung über ihre Arbeit und Anregungen für die weitere Therapie.
Durch die Vorplanung war auch genügend Zeit für die eigenständigen Arbeitseinsätze bei den Hausbesuchen von Monika Biskup und Nina Heyd.
Auch in diesem Jahr haben wir wieder eine Anzahl ausgewählter Dinge für die Spieltherapie und als Anregung für gezielte feinmotorische Förderung aus Deutschland mitgebracht. Das Material war natürlich nicht ausreichend für alle Orientadoras.
Nachdem die Orientadoras aber in kleinen Fortbildungen den Sinn und Zweck des "Spiels" verstanden hatten, waren sie in der Lage, mit eigenen Materialien selbst Übungsspiele herzustellen. So ist fantasiereiches und besonders effektvolles Übungsmaterial entstanden und von den behinderten Kindern mit großer Freude angenommen worden.
Zahlen meiner kinderärztlichen Untersuchungen im Frühjahr 2009
Kontrollen + Neuzugänge im Vgl. zu 2008:
In Cruzeiro do Sul: 53 (in 2008: 43)
In Mâncio Lima: 29 (in 2008: 28)
In Rodrigues Alves: 19 (in 2008: 18)
In Guajará: 36 (in 2008: 31)
Zusammen: 137 (in 2008: 120) behinderte Kinder
Dr. Biskup bei Untersuchungen
Behinderter Junge mit therapeutischem Spielzeug
Zu den Behinderungen:
a) Bei den "schwerst mehrfachbehinderten Kindern" gibt es naturgemäß nur minimale Veränderungen, oft im Sinne von Erleichterungen bei der Pflege. Dazu hat Simon versucht, einen kleinen zusätzlichen Beitrag zu leisten. Diese Kinder und Familien brauchen in besonderem Maße die weitere Betreuung und Zuwendung im Projekt.
b) Viele Kinder mit "Choreo - Athetose" haben sich bezüglich ihrer problematischen Rumpfinstabilität dank der seit Jahren kontinuierlich durchgeführten Physiotherapie und der Versorgung mit den Stuhl – Tisch - Kombinationen [neuerdings in vielen Fällen sogar durch die staatlich geregelte, relativ gute Rollstuhlversorgung] spürbar weiter gebessert. Die verbesserte Haltung von Kopf und Hals im Sitzen erleichtert viele einfache Tätigkeiten und ist ein kleiner Schritt zu etwas mehr Selbständigkeit (Essen, Trinken, Malen etc.)
c) Auch die Kinder mit Hemiplegie lassen unter der engagierten Physiotherapie häufig wiederum kleine Verbesserungen, sowohl beim Gehen wie in der Handmotorik erkennen. So hoffen wir auch bei diesen Kindern auf weitere kleine Fortschritte durch regelmäßige Übungen.
d) Bei den "Geistigbehinderten" gilt das früher schon Gesagte: psychopädagogische Förderung und ein Struktur und Halt gebender Erziehungsstil sind wichtige Hilfen für diese Kinder. Viele dieser inzwischen ja meist schulpflichtig gewordenen Kinder konnten ja inzwischen in die Schulen integriert werden (sh. oben)
e) Das 2007 oder 2008 durch den Staat begonnene Förderprojekt durch zusätzlichen Sonderunterricht für Taubstumme und für schwer Sehbehinderte scheint erfreulich gut weiter zu laufen, allerdings bisher nur in Cruzeiro do Sul.
Wir haben wiederum – nach Audiometrie mit einem schon früher mitgebrachten BOSCH – Audiometer - einzelne weitere Kinder mit Hörgeräten aus Deutschland versorgt, zusätzlich mit Nachschub der benötigten Batterien. – Eigentlich sollte inzwischen eine ortsansässige Fonoaudióloga (~Logopädin) Gehörgangsadapter für die Geräte anfertigen und sogar digitale Hörgeräte einstellen können. Das ließ sich leider aber bisher noch nicht umsetzen.
f) Ein besonders "Problem" ergibt sich immer wieder einmal, wenn Eltern – aus Angst, aus Unverständnis oder was immer dahinter stecken mag – sinnvolle verbessernde Operationen verweigern: z. B. Sehnenverlängerungen bzw. ~-Verlagerungen bei schwerer Spastik oder Klumpfuß-Operationen oder die Operation einer Lippen–Kiefer–Gaumen–Spalte. In mehreren Fällen ist es uns zwar schließlich nach langen und (teils seit Jahren!) ständig wiederholten Gesprächen über dieses Thema doch gelungen, die Zustimmung zu erreichen – und nachher waren gerade diese Eltern glücklich und dankbar! Aber es stehen noch einige solcher "Problemfälle" (auf Seiten der Eltern) aus. Diese Kinder brauchen dringend solche Operationen, die inzwischen am Ort oder doch in der Region sehr ordentlich durchgeführt werden können. Wir werden uns also weiter intensiv dieser Problematik annehmen!
Am letzten Samstag unseres Aufenthaltes in Cruzeiro do Sul haben wir wiederum alle Mitarbeiter der Fundação zu einer knapp zweistündigen Fortbildung eingeladen, diesmal mit den Themen:
- Unterschiedliche Physiotherapie einerseits bei spastischen Lähmungen und andererseits bei schlaffen Lähmungen und anderen Formen hochgradiger Muskelschwäche.
- Arbeits- und Pflege erleichterndes Handling von behinderten Kindern (Simon Schmidt)
- Beispiele für Psychopädagogische Arbeit etc. mit Übergabe von reichlich Arbeitsmaterialien.
Die Beteiligung, das Interesse und die Mitarbeit der Teammitglieder bei dieser Fortbildung war für uns wieder einmal ebenso überzeugend wie ihr täglich von uns zu bewundernder Einsatz, ihr Ideenreichtum bei der Strukturierung ihrer Arbeit und ihr Engagement für die Kinder.
Wir planen nach diesen Erfahrungen deshalb unbedingt, bei weiteren Arbeitseinsätzen wiederum Fortbildungen anzubieten. Das ist gerade für die ja "nur angelernten" Projektmitarbeiter enorm wichtig. Die jetzt wieder beobachteten Erfolge bei den Kindern sprechen für sehr gute Arbeit!
Projektmitarbeiterin bei therapeutischer Arbeit
Mutter mit ihrem behinderten Kind
Zusammenfassende Bewertung unseres Arbeitsbesuches im Frühjahr 2009:
1.) Regelmäßig wird im Projekt weiterhin mit den Methoden der Physiotherapie, der Heilpädagogik und der Logopädie gearbeitet. Die erneute Mitarbeit eines (einer) Ergotherapeuten wäre aber sehr wichtig, da dies zuletzt 2004 erfolgt war.
2.) Bei den meisten Kindern, die schon seit längerem betreuten wurden, fanden wir - wie früher schon - eindeutige Verbesserungen verschiedenen Ausmaßes. Die Dankbarkeit der Familien und das Glück dieser Kinder auch über kleine Fortschritte sind wohl verständlich.
3.) Mit Freude und Dankbarkeit möchte unsere ganze Besuchergruppe auch dieses mal wieder das Engagement, die Motivation, die Empathie und Einsatzfreude der brasilianischen Mitarbeiter hervorheben und auch die guten fachlichen Weiterentwicklungen betonen: bei der Mehrzahl der Mitarbeiter/-innen beobachten wir eine zunehmende fachliche Sicherheit und Selbstständigkeit für zielstrebiges Handeln und eine erfreuliche Professionalität. D.h. man kann mit diesen "angelernten", sehr gut eingearbeiteten Kräften wirklich wunderbar arbeiten!
4.) Leider hat erneut eine bisher vertraglich im Projekt in Teilzeit mitarbeitende brasilianische Physiotherapeutin die Zusammenarbeit von sich aus beendet. An unserem letzten Besuchstag zeichnete sich jedoch erfreulicherweise eine Möglichkeit ab, jetzt vielleicht einen Mann als neue Fachkraft einzubinden. Denn gerade auf dem Gebiet der so wichtigen Krankengymnastik / Physiotherapie müssen die Orientadoras regelmäßig fachliche Unterstützung bekommen in Form von Therapieanleitungen direkt am Patienten. Nur so können und werden ihre spezifischen Fachkenntnisse ständig wachsen.
5.) Zusätzlich zur Physiotherapie werden auch weiterhin möglichst häufige und regelmäßige Fortbildungen für die Orientadoras in allen Therapiemethoden der Heilpädagogik, der Ergotherapie und auch der Logopädie notwendig sein, um den Wissensstand zu halten bzw. weiter zu steigern
6.) Ein finanzielles Problem sind nach wie vor die außerordentlich hohen Benzinpreise (im Schnitt ~3,15 R$ = >1,10EUR / L!) und die rechtgroßen Entfernungen zwischen den Municípios (Cruzeiro do Sul und die 3 umliegenden Kreisstädte) bei dem zugleich leider recht hohem Verbrauch des VW - Combi.
Zum Schluss dürfen wir uns wieder einmal ganz herzlich bei Pater Herbert Douteil als dem "Vater des Projektes" bedanken - und natürlich auch bei jedem Einzelnen vom Team für die wie immer ganz ausgezeichnete Zusammenarbeit in diesen schönen Wochen im Acre, die leider wieder viel zu schell vergangen sind.
Das Projekt / die Stiftung entwickelt sich ständig erfreulich gut weiter - ebenso wie die Kompetenz der engagierten Mitarbeiter/innen. Wir wünschen allen weiterhin viel Erfolg und Gottes Segen bei der so lohnenden Arbeit. – Und wir freuen uns schon jetzt auf unseren nächsten Arbeitsbesuch – se Deus quiser?!
Monika und Dr. med. Lothar Biskup