Neues aus Cruzeiro do Sul
Cruzeiro do Sul, den 27. November 2011
Am 16. und 17. hatten wir Distriktsversammlung, zu der nicht nur mit Ausnahme des ziemlich kranken Pe. Theo Ferfers aus Envira alle Mitbrüder, die hier im Acre tätig sind, gekommen waren, sondern auch Pe. Hugo, der Obere des Nachbardistrikts Tefé. Der Bericht unseres Distriktsobern Pe. Orlando wurde mit viel Beifall bedacht, der des Ökonomen, Bruder Albert, brachte uns sehr zum Nachdenken. Denn die finanziellen Rücklagen sind praktisch aufgebraucht: Es wurde klar, dass wir durch die Mieteinnahmen der an die Ärzte in der Polyklinik uns gerade über Wasser halten können – doch darf es keine größeren unvorhergesehenen Ausgaben geben und keiner der Mieter vorzeitig aus dem Mietvertrag ausziehen. Zum Glück sind alle verfügbaren Räumlichkeiten vermietet, und Bruder Albert bleibt auf der Hut, dass die Mieten auch pünktlich einkommen!
Am wichtigsten war aber der Punkt der Vorbereitung einer engeren Zusammenarbeit der beiden Distrikte vom Alto Juruá und von Tefé, der vorsieht, dass wir gemeinsam ein Haus in Manaus übernehmen, in dem unsere zukünftigen Mitbrüder während der Zeit des Philosophiestudiums an der dortigen Hochschule der Redemptoristen wohnen sollen! Es ist nicht nur eine Frage der Vermeidung des Kulturschocks, sondern auch der Unkosten: In São Paulo kostet jeder der Studenten wegen der höheren Lebenshaltungskosten und Studiengebühren monatlich ca. 1.200 R$ (ca. 450 Euro) - hier in Cruzeiro do Sul 500 R$ (ca. 200 Euro) - in Manaus dürften die Unkosten bei ca. 800 R$ monatlich liegen. Es ist allerdings für uns auch eine Frage, wen wir von den jüngeren Mitbrüdern nach Manaus werden schicken können – oder wird der Distrikt Tefé jemanden finden, der als Leiter des Seminars geeignet ist – oder müssen wir auf Hilfe vom Generalat in Rom warten??
Am Sonntag, den 20. November, hatte die Diözese das Glück einer weiteren Diakonatsweihe. Am nächsten Tag begannen unsere Jahresexerzitien der Priester unserer Diözese, die uns Dom Mário Antônio da Silva, der 45 Jahre junge und im letzten Jahr geweihte Weihbischof der Erzdiözese Manaus, hielt. Er stellte uns bei seinen bis Freitag mit viel Leben vorgetragenen täglichen drei Beiträgen Christus als Beispiel und Weg vor Augen – Es war für alle Teilnehmer ein großer geistlicher Gewinn! Wir dürfen ja nicht vergessen, dass viele von ihnen alleine leben und arbeiten – bei wem Hilfe suchen und finden, wenn nicht beim Herrn?
Die Exerzitien endeten mit einem großen Fest: Mit der Feier des 86. Geburtstages und des 60. Weihetages von Bischof Ludwig Herbst – am 23.11.1923 ist er in Bardenberg bei Aachen geboren, am 08.12.1951 in Knechtsteden zum Priester geweiht. Seine Bischofsweihe war am 11.11.1979. Alle Priester, die an den Exerzitien teilgenommen hatten, waren da, Bischof Mosé und Bischof Mário – eine gut vorbereitete Meßfeier in der Kapelle des früheren Kleinen Seminars, das heute Geistliches Zentrum für Exerzitien und ähnliche Dinge ist. Ich hatte die Ehre, in der Messe neben Bischof Ludwig zu stehen und darauf zu achten, dass er alle Texte richtig fand und las, alle Zeremonien vollzog. Die Gesänge kamen aus dem Herzen, die Dank- und Fürbittgebete ebenfalls und stiegen zum Himmel! Unter den Gästen waren auch der frühere Gouverneur Orleir Cameli und seine Frau Bete – Orleir dankte mit einfachen Worten für die Erziehung, die er einmal als Schüler der damaligen Patres Henrique [Rüth] und Luís erhalten hatte. Auch wenn er nur das 4. Volksschuljahr habe absolvieren können, so sei diese Ausbildung für ihn bis zum Amt des Gouverneurs des Acre entscheidend gewesen.
Nach dem Fest hatten wir noch eine Versammlung mit Bischof Mosé, in der er über die Lage der Diözese berichtete und die Versetzungspläne bekannt gab. Leider mußte ich wieder einen großen Teil der Verantwortung des Generalvikar übernehmen, weil Pe. Maurício, mein bisheriger Nachfolger und Direktor des Seminars, gesundheitlich so angeschlagen ist, dass er keine Verantwortung mehr wird übernehmen können, ehe nicht eine umfassende körperliche und seelisch-geistige Behandlung abgeschlossen ist. So habe ich heute schon mit Bischof und dem Advokaten der Diözese gesprochen und werde heute noch eine weitere Versammlung mit meinem Neffen Stefan und Carlos Vitor haben, um die nächsten Schritte für eine bessere Nutzung der von mir erbauten Miethäuser und die Voraussetzungen für den Verkauf weiterer Grundstücke zu schaffen.
Meine gesamte Kraft und Aufmerksamkeit waren während des ganzen Monat vollständig in Beschlag genommen durch die zweite Revision der Übersetzung des Buches von Paul Badde „Maria von Guadalupe – wie das Erscheinen der Jungfrau Weltgeschichte schrieb“. Eine solche Umformulierung einer provisorischen Erstfassung ist viel schwieriger, als ein Unerfahrener sich vorstellen kann. Jedes Wort muß ja mindestens zweimal umgedreht und in jeder Bedeutung abgewogen, jede Satzbildung nach grammatikalischer und logischer Hinsicht angeschaut werden. Doch ist ein Ende abzusehen – heute kam ich bis auf S. 202 von 233 Seiten der deutschen Druckausgabe und hoffe, dass ich bis zum 12. Dezember, dem Fest der Erscheinung Marias in Guadalupe, das Manuskript an den Verlag senden kann. Dieser Verlag in Rio de Janeiro ist auch eifrig dabei, die Druckausgabe meiner Übersetzung des Buches von Paul Badde über „das Göttliche Gesicht auf dem Schleiertuch von Manoppello“ vorzubereiten – wenn alles gut geht, kann ich ein Musterexemplar schon mit in die Ferien bringen!
Die Radioarbeit geht täglich weiter – heute kam ich bis zum 22. Januar 2012 – ich muß ja einen genügenden Vorrat haben, wenn ich Ende Januar zur ärztlichen Untersuchung und evtl. Behandlung für zwei Monate nach Deutschland komme. Wie lange diese Radioarbeit noch weiter gehen kann, hängt nicht von mir oder meinem guten Willen ab, sondern davon, ob dieses unser Radio noch lange bestehen bleiben kann. Denn die Konkurrenz der kleinen Radiostationen mit einem attraktiven und aktuellen lokalen Programm ist sehr groß, ganz zu schweigen vom Fernsehen, dessen in Südbrasilien produzierten Sendungen inzwischen praktisch auch in die letzten Winkel unserer Diözese über Parabolantenne gelangt – gegen diese Konkurrenz sind die Wortsendungen praktisch ohne Chance!
Sorgen macht mir das Weiterbestehen der Stiftung "Jesuskind von Nazareth" – dieses Jahr haben wir noch keine Hilfe von draußen bekommen, aber haben von den Rücklagen des Fondsvermögens alle Unkosten bestritten. Wie lange dies noch möglich ist, weiß ich nicht, ich hoffe, dass bald die verheißenen Hilfen kommen! Besser ist die Lage im „Bauernhof der Hoffnung“, der bis an den Rand der Möglichkeit besetzt ist. Wenn alles nach Plan geht, werden wir in diesem Jahr noch das Haus für die Neuaufnahmen und im nächsten Jahr zwei weitere Wohnhäuser erstellen können, so dass wir dann auf ca. 50 Interne kommen können; alles ist auch für den Beginn eines Bauernhofes für Frauen schon geplant.
Meine Seelsorgearbeit bleibt auch nicht ungetan, wobei ich allerdings wegen der Regenzeit nicht an allen Samstagen und Sonntagen ein volles Programm haben kann, weil ich gewisse Siedlungswege nicht befahren kann. Am letzten Wochenende war ich wieder auf der asphaltierten Transamazônica - am Samstag hatte ich zwei Messen, für gestern waren drei vorgesehen. Ich hatte den Altar für die dritte Messe schon vorbereitet, als mein Katechet mich nach draußen rief. In einer Entfernung von weniger als 400 Metern war ein Unfall passiert: drei Fahrradfahrer hatten offenbar die Hälfte der rechten Fahrbahn in Beschlag genommen – von hinten kam ein Motorradfahrer, der einen der ausschwärmenden Fahrradfahrer rammte. Der Fahrradfahrer hatte neben schweren Schürfwunden eine tiefe Wunde am linken Knöchel, Fahrer und Beifahrer des Motorrades schwere Schürfwunden – das Fahrrad total kaputt, das Motorrad einen abgeschlagenen Rückspiegel und einige Plastikteile der Armatur zerbrochen. Ein vorbeikommender Polizist konnte nicht helfen, da er nur unterwegs war – eine Ambulanz konnte nicht gerufen werden. Also mußte ich die Messe absagen und meinen Wagen wieder in eine Ambulanz verwandeln: Eine Hängematte wurde quer über die Ladefläche montiert, der verletzte, stöhnende Jugendliche hineingelegt, das Motorrad hinauf gehoben und angebunden, die beiden verletzten Motorradfahrer aufgeladen – und schnellst möglich ging es zum nächsten Hospital nach Sª Luzia – wenn auch ca. 70 km entfernt, so doch relativ leicht zu erreichen, weil es ja über einigermaßen guten Asphalt ging. Nach einer knappen Stunde Fahrt war ich dort, konnte meine Last an den wachhabenden Pfleger abgeben -, der Bruder des Verletzten blieb bei ihm, ich hoffe, dass man bald die Autobahnpolizei benachrichtigt und den Unfall aufgenommen hat.
Ich fuhr weiter Richtung Cruzeiro do Sul – unterwegs verdunkelte sich der Himmel ins tiefste Schwarz. Doch ehe der Tropenregen herabprasselte, wurde ich angehalten – das Militär untersuchte alle Fahrzeuge auf Drogen. Da ich bekannt bin und sicherlich keine Drogen transportiere, konnte ich gleich weiter fahren, erwischte aber voll den herabprasselnden Regen, der wenigstens das Blut von der Ladefläche spülte und den Lehm der letzten Wochenendausflüge unter dem Chassis aufweichte.
|